Christos Katzidis im Gespräch „Wir haben wichtige Schritte gemacht“

Christos Katzidis im Gespräch „Wir haben wichtige Schritte gemacht“

Christos Katzidis ist seit Juni 2022 Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein (FVM). Der 53-jährige Bonner hat sich für die Arbeit an der Spitze des siebtgrößten DFB-Landesverband einiges vorgenommen. Im Gespräch erläutert er, wie er den Vereinen und Ehrenamtlichen mehr Gehör in der Politik verschaffen und dafür sorgen möchte, dass die Basis nachhaltig von der UEFA Euro 2024 in Deutschland profitiert.

Herr Katzidis, seit rund einem Jahr führen Sie als Präsident den Fußball-Verband Mittelrhein. Was war das bislang eindrucksvollste Erlebnis während dieser Zeit?

Die vielfältigen Eindrücke lassen sich kaum auf wenige Ereignisse reduzieren. Am meisten beeindruckt hat es mich, auf so viele hochmotivierte Menschen zu treffen. Egal, ob in Vereinen, im Verband oder den Fußballkreisen. Überall wollen leidenschaftliche Menschen den Fußball nach vorne bringen. Faszinierend finde ich es, dass sich die vielen Ehrenamtlichen der großen gesellschaftspolitischen Dimension des Fußballs und ihrer Arbeit bewusst sind. Das unterstreicht die immense Strahlkraft des Fußballs für unsere Gesellschaft.
 

Welche Vorhaben konnten Sie mit Ihrem Team bereits umsetzen und welche Schwerpunkte stehen in den kommenden Monaten auf der Agenda?

Die Zeit hat natürlich nicht dazu ausgereicht, alle Ambitionen schon umzusetzen. Aber in vielen Bereichen haben wir wichtige Schritte gemacht. Um es sportlich auszudrücken: Wir sind absolut auf dem Spielfeld. Zu den Schwerpunkten zählen die Stärkung des Amateur- und Breitensports, die Einführung der neuen Kinderspielformen und ein effektiverer Kinderschutz. In diesen Bereichen befinden wir uns auf einem guten Weg. Als Beleg taugt eine Zahl: 519 Kindertrainer-Zertifikate wurden bis Anfang August vergeben. Auf diese Weise verschaffen wir den Betreuer*innen im Nachwuchsbereich ein erstes Rüstzeug für eine qualifizierte Arbeit im Verein.


Zum Themenkomplex Nachwuchsarbeit zählt auch die Umsetzung der bundesweit verbindlichen Einführung der Kinderspielformen. Wir beschäftigen uns im FVM-Gebiet ja schon seit vielen Jahren damit, kindgerechten Fußball anzubieten. Insofern sind wir da schon sehr weit und haben auch die Einführung der Kinderspielformen weitgehend umgesetzt. Welche weiteren Schwerpunkte gibt es?

Die soziale Integration ist ebenfalls ein wichtiges Feld. Ich bin der erste Präsident eines Landesverbandes mit Migrationshintergrund. Wir bemühen uns darum, noch mehr Menschen mit familiärer Zuwanderungsgeschichte in wichtige Positionen zu bringen und zu fördern. Es geht darum, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft in möglichst vielen Gremien und auf allen Ebenen widerspiegelt. Entscheidend ist es, Themen mit Köpfen zu verbinden und Ansprechpersonen bekannt zu machen.


Welche Bedeutung hat das Positionspapier Amateurfußball für mehr Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit und wie ist der aktuelle Stand in der Umsetzung?

Wir haben im Präsidium und im Beirat 21 Forderungen beschlossen. Dieser Katalog wird bei jeder Gelegenheit angesprochen und ich werbe ganz konkret auch im politischen Düsseldorf für die Umsetzung. Erste Erfolge sind dabei ersichtlich. Ich würde mir wünschen, dass sich weitere Verbände den Forderungen anschließen. Wenn alle 21 Landesverbände gemeinsame Sache machen, würde das den Bemühungen eine ganz andere Wucht verleihen. Ein weiterer Ansatz besteht darin, die Vereinsberatung zu stärken. Wer sich in den Klubs engagiert, sollte sich der großen Bedeutung der politischen Lobbyarbeit bewusst sein und einen stärkeren Fokus auf diese Bemühungen legen. Um dafür das Rüstzeug zu vermitteln, initiieren wir erstmals in diesem Bereich Pilotfortbildungen. Ich bin gespannt, auf welches Feedback wir damit stoßen.


Können Sie die Kernforderungen des Positionspapiers umreißen?

Wichtig ist es uns, dass das Ehrenamt Aufnahme ins Grundgesetz findet. Vielerorts werden Politikerinnen und Politiker bis hin zum Bundespräsidenten nicht müde, das ehrenamtliche Engagement als Herzstück der Gesellschaft zu preisen. Ich kann da nur zustimmen und bin daher der Meinung, dass diese herausgehobene Stellung sich daher auch im Grundgesetz wiederfinden sollte. Das wäre eine Form der Wertschätzung und würde dieser Arbeit auch rechtlich eine besondere Stellung gegenüber anderen Interessen verschaffen. Zu den weiteren Forderungen zählt etwa die Idee, dass Menschen einen zusätzlichen Rentenpunkt für zehn Jahre durchgehendes ehrenamtliches Engagement erhalten. Wir sprechen uns auch eindeutig für eine Fortsetzung von Förderprogrammen wie dem Landesprogramm „Moderne Sportstätte 2022“ aus. Und wir befürworten ein vergünstigtes Deutschlandticket für die Nutzung des ÖPNV für Ehrenamtliche sowie freie Fahrt für jene Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren.


Einiges bewegt hat sich zuletzt im Bereich des Mädchen- und Frauenfußballs in Deutschland. Spiegelt sich die Entwicklung auch im FVM wider?

Eindeutig ja. Wir sehen einen riesigen Boom, der mit wachsendem Interesse und steigenden Zahlen bei den Neuanmeldungen einhergeht. Im Altersbereich der U9 bis U12 verzeichnen wir Zuwachsraten im zweistelligen Bereich. Das ist sehr erfreulich. Wir hoffen, dass sich die Entwicklung auch trotz des WM-Ausscheidens der Frauen fortsetzt. Denn der Grundansatz ist ja weiterhin richtig und wichtig.


Was wünschen Sie sich von den Vereinen, um diesen Trend zu stärken?

Vereine sollten den Ausbau des Mädchen- und Frauenbereichs zum strategischen Schwerpunktthema machen und schauen, dass sie ausreichend qualifizierte Personen haben, die Mädchenteams aufbauen und betreuen können. In diesem Bereich steckt nicht nur die Chance, neue Mitglieder zu gewinnen, sondern auch immenses Potenzial, neue Ehrenamtliche für die Vereinsarbeit zu begeistern. Das betone ich vor dem Hintergrund, dass vielfach über die Schwierigkeit geklagt wird, engagierte Kräfte zu finden.


Vielerorts fehlt es auch an Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern. Sind die Initiativen im Rahmen des „Jahres der Schiris“ der richtige Weg Abhilfe zu schaffen?

Absolut. Wir wollen mit dem Jahr der Schiris das Thema „Schiri“ in den Fokus rücken – und zwar positiv. Wir wollen die Botschaft vermitteln, dass Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter Teil des Spiels sind und wünschen uns eine positive Umgangskultur. Wir müssen weg von der Dauerkritik und hin zur Integration in den Verein. Mannschaften und Spielerinnen/Spielern werden Fehler viel eher verziehen als Unparteiischen. Dafür gibt es aber keinen Grund. Hier sind die Vereine gefordert. Sie können Aktive und Zuschauerinnen und Zuschauer etwa mit Stadionansagen und konkreter Ansprache vor Ort für einen respektvollen Umgang sensibilisieren und die Bedeutung der Schiris hervorheben. Außerdem können und sollten sie gewünschte und ungewünschte Verhaltensweisen auf ihren Sportanlagen bei jedem Spiel klar kommunizieren und handeln, wenn Fehlverhalten festgestellt wird.


Im kommenden Jahr steigt die UEFA EURO 2024. Köln ist Spielort. Welche Impulse kann das Turnier für die Region und den hiesigen Fußball bringen? Und welchen Beitrag kann der FVM leisten, damit die Vereine nachhaltig gestärkt werden?

Während des Turniers werden wir im Zusammenspiel mit der Stadt Köln ein riesiges Veranstaltungsangebot auf die Beine stellen. Unser Ziel ist es, nicht nur in den Stadien für Highlights zu sorgen, sondern auch drumherum. Wir wollen die Begeisterung für den Fußball schüren und Menschen für diesen Sport gewinnen. Solche Großereignisse bringen Freude, Leidenschaft und Motivation. Wir gehen daher davon aus, dass die Vereine einen besonderen Zulauf erleben werden. Darauf müssen die Verantwortlichen vorbereitet sein. Sie müssen entsprechende Angebote schaffen und ihre Mitarbeitenden qualifizieren schaffen. Dabei stehen wir mit Rat und Tat zur Seite. Beim Ausbau der Infrastruktur, also ausreichend Umkleiden und Sportplätzen, sind in erster Linie die Kommunen gefordert. Bislang erkennen nicht alle Städte die soziale Strahlkraft des Fußballs, da fehlt es zeitweilig an Unterstützung.


Der neue Grundlagenvertrag regelt die Unterstützung des vorwiegend ehrenamtlich geführten Amateurfußballs durch DFB und DFL. Sind die Weichen im Sinne der Basis – also der Landesverbände und Vereine – richtig gestellt?

Absolut. Was der DFB ausgehandelt hat, ist ein positives Ergebnis. Es wird eine größere Unterstützung für den Amateurfußball geben als in der Vergangenheit. Das wird die Basis stärken.


Werfen wir einen Blick voraus. Was muss geschehen, damit Sie im Frühsommer kommenden Jahres von einer gelungenen Spielzeit sprechen können?

Ein wichtiger Erfolg bestünde in einer nachhaltigen Reduzierung von negativen Vorfällen auf den Plätzen. Weitere Aspekte sind die weitere Steigerung der Mitgliederzahlen in den Vereinen. Ich erhoffe mir auch, dass es gelingt, viele Menschen zu den Spielen auf die Plätze zu locken – insbesondere beim Mädchen- und Frauenfußball. Und es würde mich sehr freuen, wenn es flächendeckend eine erkennbar andere Wertschätzung und mehr Respekt im Umgang mit Unparteiischen geben würde.

 

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